Stadtdechant Kleine übt Kritik an Karnevalswagen zu Missbrauch: „Er ist für mich nicht gelungen“

25. Februar 2025; ksd

 

Köln. Ein Karnevalswagen aus dem Kölner Rosenmontagsumzug sorgt schon vorab für eine heftige Diskussion. Im Interview mit DOMRADIO.DE äußert Stadtdechant Msgr. Robert Kleine Kritik. Er bezeichnet den Motivwagen als missverständlich.

 

DOMRADIO.DE: Aus dem Beichtstuhl ragt der Arm eines Priesters. Mit gekrümmtem Zeigefinger lockt der Priester einen Messdiener zu sich in den Beichtstuhl. Was haben Sie gedacht als Sie den Entwurf dieses Karnevalswagens gesehen haben? 

      
Msgr. Robert Kleine (Kölner Stadt- und Domdechant): Ich habe mich gefragt, ob dieses Motiv wirklich sein muss. Dann habe ich mir diesen Entwurf näher angeschaut. Er ist nicht eindeutig. Es gibt Dinge, die ich nicht direkt verstehe. Die werden die Leute am Rand in der Kürze des Vorbeifahrens vielleicht auch nicht verstehen können. Deshalb halte ich ihn nicht für gelungen. 

 

DOMRADIO.DE: Kritik erregt der auf dem Wagen verwendete Ausspruch: "Jesus liebt dich". Es ist aber doch nicht der Karikaturist, der das Zitat blasphemisch verwendet, sondern der Priester, der das Sakrament der Beichte damit ad absurdum führt. 

 

Kleine: Da haben Sie recht. Und Missbrauch ist ganz klar ein Verbrechen. Die Geistlichen, die es getan haben, sind Verbrecher. Es geht um die Täter, die die Botschaft Jesu verraten. Aber das wird auf dem Wagen nicht deutlich.  

Ich habe eine ganze Menge Menschen auch aus meinem Bekanntenkreis gefragt. Die haben es eben nicht so verstanden, dass dies der Gedanke oder der Spruch dessen ist, der im Beichtstuhl sitzt. Vielmehr verstehen sie, dass eine Kernaussage des christlichen Glaubens jetzt direkt mit dem Missbrauch in Verbindung gebracht wird. Das ist sicherlich von den Wagenbauern nicht beabsichtigt, aber es wird so verstanden.

 

DOMRADIO.DE: Hätte man bei dieser Kontroverse nicht das Gespräch mit dem Präsidenten des Festkomitees suchen können?

 

Kleine: Genau das ist erfolgt. Ich habe mein Unverständnis und meinen Ärger darüber bekundet. Aber natürlich beruft man sich auf die Freiheit der Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst. Und natürlich kann und will ich auch nicht etwas verbieten, ich kann nur etwas empfehlen.

Meine Empfehlung ist, diesen Spruch wegzunehmen oder anders zu verorten, sodass klar wird, dass Missbrauch ohne jede Frage abscheulich ist. Und wir müssen als Kirche auch dazu stehen, dass dieser Missbrauch im Namen der Kirche geschehen ist.

Aber die Botschaft "Jesus liebt dich" steht für die Frohe Botschaft des Christentums, die Bestand hat und die auch trotz dieser Verbrechen bleibt. Das muss man trennen. Deshalb plädiere ich sehr dafür, dass man den Wagen noch einmal überdenkt und in dieser Hinsicht ändert. Ob man es tut, liegt nicht in meiner Hand.

 

DOMRADIO.DE: Auch im vergangenen Jahr gab es Karnevalswagen, die sehr kritisch mit der Kirche umgegangen sind. Erinnert sei an den Wagen, auf dem ein Bischof in einer Hängematte lag, anstatt sich aktiv gegen Missbrauch zu engagieren. Wo sind die Grenzen? Was geht und was geht nicht? 

 

Kleine: Ganz klar ist, dass der Karneval seit Anbeginn den Finger in die Wunde legt. Und der Rosenmontagszug muss den Finger auch in die Wunde des Missbrauchs legen und hat es ja auch schon getan. Der Wagen kommt für mich grundsätzlich zehn oder fünf Jahre zu spät. Er wäre ein passender Wagen gewesen, als diese furchtbaren Verbrechen aus der Vergangenheit publik wurden.

Jetzt sind wir doch schon seit Jahren in der Aufklärung und Aufarbeitung. Vor allem haben wir im Bereich Prävention und Intervention gerade in unserem Erzbistum so viel investiert und auch an Schutzmechanismen eingeführt, dass ich wirklich hoffe, dass Missbrauch nicht mehr in der Weise möglich ist. 

Nun heißt es seitens des Festkomitees, dieser Wagen werde beim Umzug unter der Kategorie "Internationales" fahren, weil es Missbrauch überall in der Welt gebe. Aber diese Begründung versteht doch kein Mensch. Dieser Wagen wird von den Zuschauern auf die katholische Kirche im Erzbistum und in unserer Stadt bezogen werden und nicht auf andere Länder. 

 

DOMRADIO.DE: Nun stecken sie in einem Dilemma. Die Wagen des Rosenmontagszuges werden traditionell immer am Dienstag vor Rosenmontag gesegnet. Was werden sie tun? Werden Sie den Wagen segnen, auf dem der Beichtstuhl steht? 

 

Kleine: Dieser Akt wird immer "Wagensegnung" genannt. Es ist das Richtfest der Wagen des Rosenmontagszuges. Damit ist sozusagen der Startschuss in der Vorfreude auf den Festzug gegeben. 

Bei dem Segen stehe ich meistens auf einem Wagen und nach dem Segensgebet besprenge ich  die Menschen, die davor stehen, das Dreigestirn und die Vertreter der Gesellschaften. Denn der Segen gilt natürlich den Fahrern der Wagen und den Menschen, die auf den Wagen stehen. Dieser Segen gilt den Menschen die am Rand des Zuges stehen und besonders den Wagen-Engeln, die die Wagen begleiten, damit kein Unfall passiert. 

Denen gilt der Segen und nicht einzelnen Motiven. Die Wagen zu segnen heißt also nicht, dass ich jeden Wagen und jedes Motiv für gelungen halte. In diesem Jahr finde ich einen ja explizit nicht gelungen.

 

DOMRADIO.DE: Haben Sie Verständnis für Leute, die wenig Verständnis für diese Abwehrhaltung der Kirche haben?

 

Kleine: Die Frage ist ja, wie weit Kritik gehen kann? Ich glaube, dass Menschen in der Kirche das aushalten müssen, genauso wie Menschen in der Politik oder in der Kultur. Da ist ganz klar. Da kann man auch schon mal klare Kante zeigen und da darf es auch schon mal polemisch sein.

Noch einmal: Ganz klar ist, man kann und muss den geschehenen Missbrauch in der Kirche benennen, man kann auch durch Darstellungen provozieren. 

Aber wo ist da die Grenze zwischen Satire und Beleidigung? Da können die Ansichten und Geschmäcker unterschiedlich sein. Schwierig ist es, wenn man den Glauben verspottet oder lächerlich macht. Noch einmal: Einige Reaktionen auf den Wagen zeigen, dass man denkt, hier sei Jesus selber mit seiner Botschaft angegriffen.  

Ich glaube nicht, dass die Wagenbauer dies so gemeint haben. Aber so etwas sollte man verhindern. Menschen kann und soll man durch den Kakao ziehen. Auch Gläubige aller Religionen. Aber dem, was ihnen heilig ist, also ihren Gott selber, sollte man meiner Meinung nach immer auch mit Respekt begegnen. 

 

Das Interview führte Johannes Schröer. Wir dokumentieren die Printfassung als freundliche Übernahme von DOMRADIO.DE

 

Ansprache von Stadtdechant Kleine im Segensgottesdienst beim Richtfest für den Rosenmontagszug

 

Beim Segen für die Mitwirkenden des Rosenmontagszuges zum Richtfest in der Wagenhalle des Festkomitees Kölner Karneval machte Kleine seine Position noch einmal deutlich, bevor er gemeinsam mit Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger die den Segen vom Zugleiterwagen aus spendete. Seine Ansprache im Wortlaut:

 

Erlauben Sie mir eine kurze persönliche Vorbemerkung.

Seit ich als Stadtdechant in gutem ökumenischen Miteinander immer am Dienstag vor Karneval hier beim Richtfest diesen kurzen Segensgottesdienst mitgestalte, habe ich immer betont, was Segen und Segnen bedeutet.

Im Lateinischen heißt „segnen“ „benedicere“  – übersetzt „Gutes sagen“, „jemandem etwas Gutes zusprechen“. Und Gott spricht uns Menschen Gutes zu.

Und deshalb sprechen wir zwar davon, dass Orgeln, Wohnungen oder Wagen gesegnet werden, aber es geht immer um die Menschen.

Um die Menschen, die die Orgel spielen oder hören.

Um die Menschen, die in der Wohnung wohnen oder dort zu Besuch sind.

Um die Menschen, die jetzt, am Rosenmontag, die Wagen steuern, um Beifahrer und die anderen Verkehrsteilnehmer bei einer Autosegnung sowie die, die sich auf dem Fußweg befinden.

 

So ist das auch immer der Fall bei dieser Segnung.

Ich erbitte seit Jahren voller Freude und mit Dankbarkeit den Segen für einen unfallfreien Rosenmontagszug.

Ich segne nicht die dargestellten Motive. Oder die dahinterstehenden expliziten oder impliziten Aussagen.

 

Die meisten von Ihnen und Euch wissen, dass besonders ein Motivwagen in auch öffentlich geäußerter Kritik steht.  

Und auch ich persönlich finde diesen Wagen missverständlich, – und die Bemühungen der Kirche um Aufarbeitung der furchtbaren Missbrauchsverbrechen nicht in den Blick nehmend. Aber der Wagen legt den Finger zurecht in die Wunde. Ich hätte mir aber eine eindeutige und nicht mehrdeutige Darstellung gewünscht, die viele Jecke am Rand in der Kürze der Zeit am Rosenmontag vielleicht in ihrer Komplexität nicht erfassen können.

 

Ich habe auch den Verantwortlichen des Festkomitees meine Kritik an dem Wagen und meinen Vorschlag um Veränderung mitgeteilt.

 

Aber der jetzige Segen – und dass ich hier oben stehe – bedeutet eben nicht, dass ich die Darstellungen der Motiv-Wagen ab-segne oder gut-heiße, das ist auch nicht meine Aufgabe und das wäre auch anmaßend und übergriffig, in die Wahl der Wagen des Rosenmontagszuges eingreifen zu wollen.

Und aus diesem Grund werde ich jetzt wieder voller Freude mit Dr. Seiger die Wagen segnen, obwohl es bis eben noch manche Aufforderungen an mich gab, es in diesem Jahr explizit nicht zu tun. Aber ich sehe es als meine Aufgabe, die Wagen zu segnen.

Denn es ist mir ein Herzensanliegen, dass es auch in diesem Jahr im wahrsten Sinne des Wortes ein gesegneter, unfallfreier und unbeschwerter Rosenmontagszug wird. 

 

Ansprache von Stadtsuperintendent Seiger beim Richtfest zum Rosenmontagszug 2025 (Auszug)

 

Es ist so schön, hier oben zu stehen, in der Pracht dieser vielen Wagen, die noch nicht das Licht der Öffentlichkeit gesehen haben. (…) Es ist ein bisschen so wie Weihnachten. Wir brauchen nicht lange, um uns vorzustellen, wie sich Weihnachten anfühlt. Da ist alles vorbereitet, wochenlang. Der Baum ist vorbereitet, die Geschenke sind eingpackt, die Kerzen brennen. Aber es hat noch niemand etwas ausgepackt. Und das passiert heute jetzt hier, dass wir das „Auspacken“ des Rosenmontagszuges hier schon sehen und am nächsten Montag dann in aller Pracht, sodass wir die Kreativität und die Freude der Wagenbauer sehen können, aber auch die Themen, die Themen der Zeit sind.

Das gilt auch für das Thema, von dem unser Stadtdechant gerade gesprochen hat (das Thema Missbrauch in der Kirche – sic.). Das Thema, das besprochen wird, ist doch dies: dass Menschen haben in unserer Kirche. Und das ist eine Wahrheit. Deswegen ist das wichtig, dass das ausgesprochen wird, ausgehalten wird, dass wir alles Denkbare dafür tun, dass das in Zukunft nicht mehr passiert. Das ist unsere Aufgabe. Und der Karneval trägt dazu bei, Wahrheiten auszusprechen. Wie gut, dass das so ist!

Wir sind hier in Vorfreude und Erwartung auf den Rosenmontagszug und wollen dafür beten, dass alles gut abläuft. Dass die Jecken viel Freude haben. Dass es keine Unfälle gibt. Dass der Alkohol das Miteinander nicht zu sehr belastet, sondern eher Freude stiftet und Gemeinschaft. Und dass die Kräfte am Ende für alle, die mitwirken, reichen, sodass es Tage werden und ein Zug wird, von dem man sagen kann: „Ich war dabei! ich hab’s genossen, wir haben es gemeinsam auf den Weg gebracht.“

 

Info: Beim Richtfest zum Rosenmontagszug spenden Stadtdechant und Stadtsuperintendent traditionell den Segen mit der Bitte um einen unfallfreien, friedlichen und guten Rosenmontagszug. Der Segen erfolgt von einem Wagen aus über die davor stehende Menge von Menschen. Eine Segnung einzelner Wagen erfolgt nicht.

 

Zurück