Restaurierung des Michaelsportals am Kölner Dom nach zehn Jahren abgeschlossen
17. Oktober 2023; ksd
Köln (dbh/ksd). Die aufwendige Restaurierung der Archivolten (Bögen) und des Tympanons (Relief-Feld) vom Michaelsportal am Kölner Dom konnte im Sommer 2023 nach etwa 10-jährigen Arbeiten abgeschlossen werden. In den vergangenen Wochen wurde an dem Portal, das zum Hauptbahnhof zeigt, das Gerüst entfernt. In den kommenden Jahren soll die Restaurierung des Wimpergs (gotischer Ziergiebel) über dem Portal und des Gewändes (Seitenwände) erfolgen. Ermöglicht wird die Restaurierung wesentlich durch ein Patenschaftsprogramm des Zentral-Dombau-Vereins (ZDV). Allen Patinnen und Paten wurde im Rahmen einer kleinen Festveranstaltung für ihr großzügiges Engagement gedankt.
Die Patenschaften lagen zwischen 1500 und 20.000 Euro; auch Gruppen und eine Karnevalsgesellschaft (KG) haben sich beteiligt, berichtete ZDV-Präsident Michael Kreuzberg bei einer Pressekonferenz vor dem Portal. Mit einem Augenzwinkern erzählte er, dass „in Köln natürlich 111 Patenschaften zusammenkamen“ (11 ist die Jeckenzahl und in Köln quasi eine „hillije“, eine heilige Zahl). Die anonym bleibende KG habe 111.000 Euro aufgebracht, so Kreuzberg. Insgesamt seien 750.000 Euro zusammengekommen und flossen in die Restaurierung, die darüber hinaus aus dem Haushalt des Kölner Domes finanziert worden ist. Sein Dank galt der Kölner Dombauhütte mit Dombaumeister Peter Füssenich, seinem Stellvertreter Albert Distelrath sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: „Die Dombauhütte, die ja zum immateriellen Weltkulturerbe gehört, konnte wieder einmal zeigen, was in ihr steckt.“, sagte der ZDV-Präsident. „Wir können stolz sein auf unsere Dombauhütte. Ein herzliches Dankeschön, dass es so wunderschön geworden ist!“
Ein außergewöhnliches Erbe und ein kleines Wunder
Dombaumeister Peter Füssenich erzählte von der Engländerin Berta Woodward, die über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ihr gesamtes Vermögen dem Kölner Dom vererbt hat. Sie hatte verfügt, dass damit Kriegsschäden beseitig werden sollten. „Wir haben uns gefragt, was es mit dieser Geschichte auf sich hatten, konnten es aber leider nicht richtig herausfinden“, so Füssenich. „Wir haben vermutet, dass vielleicht ihr Mann ein Bomberpilot im Zweiten Weltkrieg gewesen ist.“ Die Erbschaft bildete den Grundstock für den Aufbau einer Restaurierungswerkstatt in der Kölner Dombauhütte, die jetzt ihr 10-jähriges Bestehen feiern kann.
Damit begannen die Arbeiten am Michaelsportal, das zu den stark kriegszerstörten Portalen des Domes gehörte. Die Kriegsschäden rührten nicht nur vom Beschuss des benachbarten Hauptbahnhofs her, der ein strategisches Ziel war. Soldaten machten sich einen „Spaß“ daraus, die Köpfe einzelner Skulpturen abzuschießen. Köpfe, die heute hell erscheinen im Tympanon, sind der Ersatz für diese abgeschossenen Köpfe.
Peter Füssenich konnte aber auch von einem kleinen Wunder erzählen: Gerade, als in der Steinrestaurierungswerkstatt Leiterin Tanja Pinkale an einer Skuptur arbeitete, kam ein Anruf aus den USA in der Kölner Dombauhütte an. Eine Kunsthistorikerin wollte „mal vorbeikomme“, weil sie etwas hätte, das wohl zum Kölner Dom gehöre. „Sie brachte dann den kleinen, handtellergroßen Kopf eines römischen Soldaten“, erzählte Peter Füssenich. In einer kleinen Prozession ging man gemeinsam zum Portal und die Besucherin aus den Vereinigten Staaten durfte den Kopf selbst aufsetzen. Er war im Zweitweltkrieg abgeschossen worden und von einem US-Soldaten, der ihn im Trümmerfeld auflas und mitnahm und ihn mehr als 70 Jahre lang verwahrte. „Dass er in dem Moment wiederkam, als wir ihn hier brauchten, ist ein kleines Wunder!“, erzählt Peter Füssenich. „Der Dom holt sich seine Sachen schon zurück.“
Das Michaelsportal erzählt von Christi Sieg über den Tod und der Erlösung der Menschheit
Das Michaelsportal ist das zentrale Portal der Nordquerhausfassade des Domes. Es wird vom Bonifatius- und Maternusportal flankiert. Die Portalarchitektur inklusive der Konsolbaldachine in den Archivolten entstand zwischen 1843 und 1849 nach Plänen von Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner (1802-1861, amt. 1833-1861) in enger Anlehnung an das aus dem 14. Jahrhundert stammende Petersportal und das im Mittelalter begonnene Hauptportal des Domes. Die Ausführung des Skulpturenschmucks erfolgte erst gute 30 Jahre später durch die Werkstatt des Dombildhauers Peter Fuchs (1829-1898). Erst 1881, ein Jahr nach der offiziellen Domvollendung war er fertiggestellt.
Thema des Bildprogramms ist die „Verwirklichung des Erlösungswerkes in der Menschheit durch Christus und seine Stiftung in der Kirche“. Als zentrale Figur im Wimperg über dem Michaelsportal erscheint daher der auferstandene Christus mit der Siegesfahne. Er wird von den vier lateinischen Kirchenvätern flankiert. Das Tympanon zeigt in vier Registern Szenen aus dem Leben Jesu nach seiner Auferstehung und aus der Apostelgeschichte. Die Erzählung beginnt in der Spitze des Tympanons mit der Übergabe des Hirtenamtes an Petrus. Die Schafe verbildlichen den Auftrag Christi an den Apostel „Weide meine Lämmer“ (Joh 21,15).
In den beiden darunterliegenden Registern ist die Aussendung der Apostel, die Himmelfahrt Christi, die Aussendung des Heiligen Geistes und die Bekehrung des Paulus dargestellt. Im unteren Register folgen schließlich Darstellungen des Apostelabschiedes und des Apostelkonzils von Jerusalem. In der letzten Darstellung nimmt Petrus den zentralen Platz ein. Vor seinem Bischofsstuhl stehend verkündet er, quasi ex Cathedra, die Beschlüsse des Konzils.
In den Archivolten (Bogenlaibungen) sind thronende Figuren von 58 Schutzpatronen unterschiedlicher Berufsgruppen dargestellt, darunter die Patrone der Brauer, Juristen, Friseure und der Hausfrauen, wie der Dombaumeister erzählte. Die mit Blendmaßwerken und figürlichen Knäufen ausgestatteten Throne der Heiligen orientieren sich am Petersportal. Die zentrale Figur des Erzengels Michael als Beschützer der Kirche und des Deutschen Reiches am Trumeaupfeiler (Mittelpfeiler) wird von acht Gewändefiguren flankiert, welche Vertreter der geistlichen Stände und Ordensgründer darstellen. Der Erzengel selbst war bereits in der Nachkriegszeit restauriert und mit einen modernen Kopf ergänzt worden.
Präzise Arbeit wie beim Zahnarzt
Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Kölner Dom schwere Zerstörungen. Während die großen
Bauschäden in der Nachkriegszeit wiederhergestellt wurden, sind am Bauwerk auch heute noch
unzählige kleinere Zerstörungen zu erkennen. Besonders auffällig und störend sind diese im Bereich
der Domportale. So klafften in den Archivolten und im Tympanon des Michaelsportals bis zu Beginn
der Restaurierungsmaßnahme noch immer kleinere und größere Einschusslöcher und kraterförmige
Aussprengungen. Nur der heilige Michael und die beschädigten Gewändefiguren sind zwischen 1965 und
1972 durch den Bildhauer der Dombauhütte, Erlefried Hoppe (1910-1992), in betont moderner
Formensprache ergänzt worden.
2013 begann die Dombauhütte mit der äußerst aufwendigen Restaurierung des Portals. Ziel war es, die Lesbarkeit im Bildprogramm wiederherzustellen. Dabei sollte möglichst viel Originalsubstanz erhalten bleiben. Eine vollkommene Wiederherstellung des Portals mit Beseitigung aller Schäden war nicht geplant. Vielmehr sollten auch für künftige Generationen Spuren des Krieges am Portal ablesbar bleiben, sofern der Gesamteindruck dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Nach vorbereitenden Maßnahmen erfolgte zunächst eine Vorreinigung, bei der Taubenkot und grober Schmutz entfernt wurden, anschließend die oberflächenschonende Reinigung der aus Kalkstein gefertigten Skulpturen und Reliefs mit Hilfe von Reinigungslasern. Die schwarzen Schmutzkrusten auf dem Stein absorbieren dabei die hohe Energie der gebündelten Lichtstrahlen und erhitzen sich kurzfristig so massiv, dass sie in Kleinstpartikeln abplatzen und verdampfen ohne den hellen Stein darunter zu schädigen. Anschließend erfolgte die Ergänzung kriegszerstörter Bogenstücke, Konsolbaldachine und Skulpturen. „Wir haben hier manchmal bis ins kleinste Detail eines Fingernagels gearbeitet“, erzählte Füssenich.
Von den Architekturbereichen, die ergänzt wurden, verdienen die zerstörten oder teilzerstörten Baldachine in den Archivolten und im Tympanon besondere Erwähnung. Aufgrund ihrer kleinteiligen, detailreichen und vielfach durchbrochenen Gestaltung zählen sie zu den aufwendigsten Steinmetzarbeiten. Ihre Herstellung kann etliche Monate, bei aufwendigen Stücken auch über ein Jahr Arbeit erfordern. Die passgenaue Ergänzung von teilzerstörten Baldachinen war dabei zumeist wesentlich komplizierter als es ein vollständiger Austausch gewesen wäre, da hier zudem der Anschluss an die geglätteten Bruchkanten des Originals auf den Millimeter exakt erfolgen musste. „ Wir haben hier manchmal fast wie ein Zahnarzt gearbeitet und kleinste Plomben eingesetzt“, erläuterte Peter Füssenich. Der Aufwand hat sich gelohnt, da auf diese Weise keine Originaloberflächen zerstört werden mussten.
Figur mit antisemitischem Hintergrund kehrt nicht zurück
In ähnlicher Weise wurden durch die Bildhauer die zerstörten und teilzerstörten Figuren erneuert oder ergänzt. Hierzu wurden die zerstörten Partien im Maßstab 1:1 auf die Torsi der zerstörten Skulpturen aufmodelliert oder, bei gänzlich zerstörten Skulpturen, neue 1:1 Modelle gefertigt. Als Vorbilder dienten die zumeist gut erhaltenen Gipsmodelle von Christian Mohr und Peter Fuchs im Maßstab 1:2 aus den Jahren 1879/80 – „ein wahrer Schatz“, so Füssenich. Anschließend wurden die Figuren in Stein ausgeführt. Vier Skulpturen wurden vollständig erneuert; bei fast alle anderen wurden Teile ergänzt.
Zur maßgenauen Übertragung des neu erstellten 1:1 Modells bedienten sich die Bildhauer, wie bereits ihre Vorgänger im 19. Jahrhundert, einer Punktiermaschine. Mit ihrer Hilfe lässt sich jeder Punkt der Oberfläche vom Modell auf den Stein übertragen. Nach dem gleichen Verfahren erstellten die Dombildhauer auch zahlreiche Steinvierungen für weniger stark beschädigte Skulpturen und die Tympanonreliefs, wie etwa Köpfe, Arme und Attribute der Heiligen. Kleinere Fehlstellen wurden mit Steinergänzungsmörtel geschlossen.
Auf eine Figur hat man ganz bewusst verzichtet, erläuterte Dombaumeister Füssenich vor der Presse. „Da befand sich die Skulptur des Werner von Oberwesel. Er wurde im Mittelalter Opfer eines Raubmordes und dieser Mord wurde Juden in die Schuhe geschoben. Werner von Oberwesel wurde dadurch zum ,Märtyrer‘ und zum Anlass für viele Pogrome am Mittel- und am Niederrhein.“ Dem Leid, das mit der Figur verbunden ist, wollte man nicht erneut ein Denkmal setzen.
Allzu lange wird das Portal nicht gerüstfrei und komplett unverhüllt zu sehen sein. Die nächsten Restaurierungsabeiten stehen bald an. „Das wird dann aber etwas schneller gehen“, sagt Peter Füssenich.
„Oscar“ der Steinmetzpreise für die Restaurierung des Michaelportals
Für ihre vorbildliche Arbeit am Michaelportal erhielt die Kölner Dombauhütte im November 2022, im Rahmen der „denkmal Leipzig 2022“, der Leitmesse für Denkmalpflege und Restaurierung in Deutschland, den Sonderpreis des renommierten Peter Parler-Preises, der „Oscar“ unter den Steinmetzpreisen, so Dombaumeister Füssenich. Beeindruckt hat die Juroren vor allem „das konstruktive Miteinander von Steinmetzhandwerk, Bildhauerkunst und Restaurierungswissenschaft unter Einbeziehung vermeintlicher Randgewerke wie fotografischer Dokumentation, 3-D-Aufmaß, Gerüstbau und der Bauhüttenschmiede […] bei der gemeinsamen Suche nach den besten Lösungen für die vielfältigen Fragestellungen dieses Vorhabens“.