„Aufstand gegen den Tod“: Predigt von Stadtdechant Robert Kleine in der Osternacht / Ostergruß des Stadtdechanten
20. April 2025; Hildegard Mathies
Köln. Die Osternacht feierte Kölns Stadtdechant Msgr. Robert Kleine in der vollbesetzten Basilika St. Ursula, der Kirche der Stadtpatronin. In seiner Predigt betonte er, dass Gott einen Aufstand macht – nicht nur gegen den Tod, dem er aus Liebe zu uns Menschen (zunächst) sogar seinen eigenen Sohn, Jesus Christus, geopfert hatte. Sondern gegen alles, was Menschen das Leben nimmt. Und auch wenn es angesichts vieler Kriege und Krisen in der Welt gerade vielleicht schwerfalle, vollen Herzens einzustimmen in den Osterjubel und das wieder erklingende Halleluja, sei eines gewiss: Am Ende hat nur einer das letzte Wort – der liebende Gott, der sich in Jesus Christus verkörpert hat. Die Predigt im Wortlaut.
Liebe Schwestern und Brüder,
40 Tage mussten wir auf das Halleluja verzichten. Jetzt ist es wieder da, wir haben es in der überlieferten dreifachen Form des österlichen Halleluja gesungen und jetzt wird es uns das Jahr über begleiten, das Halleluja, das „Lobet dem Herrn“. Grund ist das Osterfest. Und wir hörten gerade im Evangelium nach Lukas – der uns in diesem Kirchenjahr immer wieder begegnet, auch am Palmsonntag mit seiner Passion –, wir haben gehört, wie er berichtet, wie die Frauen in der frühen Morgenstunde kommen und zum Grab gehen. Es hatten sich ein paar Frauen, deren Namen wir dann am Ende erfahren, auf den Weg gemacht, um diesem toten Jesus von Nazareths die letzte Ehre zu erweisen.
Am Freitag gestorben – es war der Rüsttag, Sabbat, der Ruhetag, der Samstag, da darf man nicht arbeiten, da durften sie nicht zum Grab. Jetzt aber, am ersten Tag der Woche, dem Arbeitstag, dem Sonntag, machen sie sich auf den Weg mit der Salbe, die sie zubereitet haben, um ihn zu salben, wie es damals üblich war. Und ihm so wenigstens etwas von der Würde zurückzugeben, die man ihm bei der Kreuzigung genommen hatte. Als er, seiner Kleider beraubt, blutend und geschunden, der Menge zur Schau gestellt wurde, wie das damals bei Kreuzigungen so üblich war. Schließlich sollten sie auch abschreckende Wirkung haben, dass man nicht selber zum Verbrecher wird.
Die Frauen, sie hatten unter dem Kreuz ausgeharrt. Sie haben am Karfreitag mit angesehen, wie der Soldat dem Leichnam die Lanze in die Seite gestoßen hat, um sicherzugehen, dass er, der am Kreuz hängt, wirklich tot ist. Und sie waren dann auch sicherlich zugegen, als Männer – Josef von Arimathäa und Nikodemus – Jesus ins Grab gelegt haben, eigentlich, weil – wie gesagt – der Sabbat vor der Tür stand. Die Frauen wissen also: Er ist tot. Und in diese Gewissheit hinein noch einmal salben, um dem Herrn ein letztes Mal ihre Liebe zu erweisen. Mehr können sie nicht tun. Und dann ist Ruhe, dann ist Schluss, mit dieser Erfahrung, mit diesem Jesus von Nazareth.
Liebe Schwestern und Brüder, dieser Jesus ist in der Tat tot. Wie jeder Mensch, jeder von uns am Ende seines Lebens tot sein wird. Und wenn wir landläufig sagen „Jesus ist von den Toten auferstanden“, dann klingt das so, als wäre Jesus irgendwann in der dunklen Nacht aus eigener Kraft quasi vom Liegenden aufgestanden, hätte seine Sachen gepackt und sei davongegangen. Aber er wurde auferweckt! Denn von sich aus konnte er nichts mehr. Es war aus und vorbei. Er war tot. So wie das ist bei einem jeden von uns, wenn er tot ist. Wenn da noch irgendwas kommen soll, dann muss ein anderer etwas tun. Dann braucht er Hilfe, Hilfe von außen. Er braucht Hilfe von oben, Hilfe von Gott. Deshalb sagen wir auch Auferweckung.
Natürlich ist es der eine, derselbe Gott, in diesem Jesus Christus ist Gott selber Mensch
geworden. Aber die Kraft, der Wille kommt von Gott. Wenn irgendeiner etwas tun und ändern kann,
dann ist es der, der stärker ist als der Tod, der Herr ist über Leben und Tod, Gott selber.
Davon haben wir gerade eben in den drei Lesungen aus dem Alten Testament, aus dem Ersten
Testament gehört. Gott ist es, der die Welt geschaffen hat. Männlich und weiblich hat er den
Menschen geschaffen. Gott ist es, der dem Volk Israel eine Zusage gegeben hat und sie hält. Am Ende
nach der Knechtschaft in Ägypten befreit er sie, holt er sie aus der Knechtschaft, aus der
Gefangenschaft in die Freiheit und in das Leben durch den Zug durch das Rote Meer. Und am Ende der
Prophet, der sagt „Wenn einmal alle Gebeine da sind, dann haben wir, bekommen wir ein neues Leben
von Gott“. Und all das hat Gott in diesem Jesus, in seinem Sohn Jesus Christus, getan.
Gott hat seinen Sohn, den er um unseretwillen in die Welt gesandt hat, damit er kein Fremder ist, sondern einer von uns, wir haben das miterlebt, von der Geburt bis zum Tod. Er hat ihm, der unser menschliches Leben ganz auf sich genommen hat, um uns die Liebe des Vaters, seines Vaters, zu verkünden, der auch unser Vater ist, er hat ihm wieder Leben geschenkt. Er hat ihn nicht im Tod belassen, sondern er hat ihn auferweckt von den Toten.
Liebe Schwestern und Brüder, das ist das Geheimnis von Ostern. Das ist das Geheimnis dieser heiligen Nacht; der Begriff erinnert an Weihnachten. Das ist das Geheimnis, das wir Ostern feiern. Gott lässt keinen allein. Das hat sich schon Weihnachten gezeigt, dass Gott die Menschen nicht alleine lässt, sondern ganz zu ihnen kommt, einer von ihnen wird. Und jetzt hat er gezeigt, Gott lässt seinen Sohn nicht im Tod und damit wissen wir ein für allemal: Gott lässt niemanden im Tod! Sondern dieser Gott macht Aufstand gegen den Tod. Er macht Aufstand gegen alles, was uns Menschen das Leben nimmt.
Deshalb, wegen dieses Aufstandes gegen den Tod, gibt es die Auferstehung. Weil er selber ein Gott ist, der uns doch nicht geschaffen hat, wie wir es aus dem Buch Genesis gehört haben, damit wir das Leben haben und dann irgendwann dem Tod verfallen sind, er ist doch ein Gott der Lebenden und nicht der Toten! Und deshalb ruft Gott nach all dem Leiden, das uns in diesem Kreuz immer vor Augen steht, nach all dem Leiden, nach der Not, dem Schmerz, dem Sterben, deshalb ruft er seinen Sohn ins Leben zurück. Und deshalb wird er auch uns ins Leben zurückrufen, dann, wenn wir unser Leben vollendet haben, damit wir dann auf ewig leben in seinem Reich, bei ihm.
Wie Gott das gemacht hat, was genau in dieser Nacht geschehen ist, wissen wir nicht. Das berichtet kein Evangelium. Es ist und es wird das Geheimnis dieser Nacht bleiben, das Geheimnis Gottes.
Liebe Schwestern und Brüder, er wird ins Grab gelegt am Karfreitag und dann springen die Evangelien in die Morgenstunde des Sonntags. Und da ist das Grab leer. Und danach beginnt es ja erst! Danach beginnen die Erscheinungen des Auferstandenen, sodass es Augen- und Ohrenzeugen gibt, dass es keine Einbildung ist. Dass der Leichnam nicht gestorben ist, dass es nicht sozusagen ein Scheintoter war, sondern es gibt diese Zeugnisse. Ja, dieser Jesus lebt – aber anders. Er wird nicht erkannt, davon werden wir in den Erzählungen der Evangelien hören.
Die einen erkennen ihn, wenn er den Namen spricht, die anderen erkennen ihn beim Brotbrechen. Sie erkennen ihn – aber erst spät, nicht direkt. Sie erkennen ihn aber nur, wenn er in Liebe handelt. Maria von Magdala in Liebe bei ihrem Namen nennt. Wenn er in Liebe den Emmausjüngern die Augen öffnet. Wenn er in den Kreis der Jünger kommt und zuerst mal Thomas dasteht und das alles nicht glauben kann. Immer begegnet er den Menschen als der Auferstandene in Liebe. Und diese Liebe hatte er verkündet, sein ganzes Leben lang hat er von diesem Gott erzählt, der liebt. Und diese Liebe macht alles wieder gut. Diese Liebe Gottes macht alles lebendig. Eine Liebe, die Leben schenkt, neues Leben. Eine Liebe, die stärker ist als der Tod. Und genau so wird es Gott dann – so ist unser Glaube, nicht eine billige Vertröstung, sondern für mich und ich hoffe auch für Sie alle ein wirklicher Trost, eine Verheißung – so wird er das auch mit uns machen am Ende unseres Lebens, dass er uns aufnimmt aus Liebe.
Liebe Schwestern und Brüder, Gott hat einen Blick auf uns Menschen, den Blick der Liebe. In seinen Augen verliert nichts an Wert. Und deshalb kann und darf auch uns Menschen niemand seinen Wert nehmen und unsere Würde – nicht einmal der Tod. Den überall, vor allem und in allem ist er unser Gott.
Und selbst da, wo der Mensch mit seinem Latein am Ende ist, fängt Gott richtig an. Und wo all unser menschliches Tun und Machen nicht mehr weiterkommen, da schafft es immer noch unser Gott.
Vielleicht geht es Ihnen auch so in diesen Tagen, wenn wir von Ostern singen – „Der Herr ist auferstanden“, „Das ist der Tag, den Gott gemacht“, „In aller Welt ist Freud und Fried“ – dass wir da manchmal vielleicht gar nicht so kräftig mitsingen können, weil es doch alles so anders aussieht mit dem Fried, dem Krieg und der Freud und der Not. Aber wie wäre es, wenn all das am Ende Bestand hat?
Ich kann es immer nur wiederholen und mir auch selber sagen im Blick auf diesen liebenden Gott, den ich auch nicht immer verstehe, dass es ein Gott ist, der uns die Welt gesandt hat mit einem freien Willen und dann kann jemand entscheiden über Krieg und Frieden, wenn er dazu die Macht hat. Und dann kann jemand Bomben schicken, Menschen töten, weil er es einfach kann… Weil er ein Mensch ist. Zwar vom Verhalten her ein Unmensch, aber er kann es. Da ist kein Gott, der dreinschlägt, keiner, der das Rote Meer plötzlich teilt und der die Waffen und die Streitwagen im Wasser versinken lässt. Aber da ist ein Gott! Ein Gott, der am Ende Gerechtigkeit schenkt. Ein Gott, den wir bitten können, inständig, um Frieden und Vernunft bei denen, die Verantwortung haben in Politik und Gesellschaft. Und auch wenn sie keine Vernunft haben. Am Ende haben sie nicht das letzte Wort!
Ich muss immer daran denken, wenn ich im Kölner Dom bin, am Hochaltar, da ist der Dreikönigenschrein, der ist geschmückt worden von dem Goldschmied Nikolaus von Verdun mit Schmucksteinen aus dem antiken Römischen Reich. Man sieht die drei Könige und oben drüber ist der Auferstandene. Auf der Rückseite des Schreins ist Jesus am Kreuz. Auf der Vorderseite der, der auferstanden ist, der, der die Welt segnet. Und darunter ist ein großer Schmuckstein. Dieser Schmuckstein zeigt den Kaiser Nero, der von seiner Mutter Agrippina gekrönt wird.
Warum hat er denn den Stein genommen? Er hatte sicher eine ganze Ladung von wunderbaren Steinen, die er alle 1190 da Einpflegen konnte. Und ich denke mir, er wird sich vielleicht etwas dabei gedacht haben, nicht nur, dass er wunderschön aussieht und von der Größe dahin passt, sondern ich vermute mal, dass der Goldschmied damit etwas ausdrücken wollte. Wer war denn dieser Nero? Er war ein Christenverfolger als römischer Kaiser. Er hat das erste Mal vom 1000-jährigen Reich gesprochen. Und er hielt sich selber für Gott. Drei Dinge. Aber am Ende? Getötet. Ermordet. Sein Reich war keine 1000 Jahre. Er war kein Gott. Und die, die er verfolgt hatte, und der, wegen dem er sie verfolgt hatte, dieser Christus, an den die Männer und Frauen ja damals glaubten im Römischen Reich, er ist der, dessen Reich kein Ende hat, Alpha und Omega, Anfang und Ende. Und deshalb, glaube ich, hat Nikolaus von Verdun diesen Stein auf den Dreikönigenschrein gesetzt. Da hat sich einer zum Gott aufgespielt und er war doch nur ein Mensch.
Vielleicht können wir in Gedanken auch viele andere in Steinen am Dreikönigenschrein uns vorstellen, die auch meinten, das wäre ein guter Platz für sie. Sie müssten nur einsehen: Über ihnen steht ein anderer. DER hat das letzte Wort. Das wissen wir mit Gewissheit seit Ostern.
Auf seinem Facebook-Kanal hat Stadtdechant Msgr. Robert Kleinen seinen Ostergruß veröffentlicht.