St. Heribert: „Düxer Dom“ und Heimat des Heribertschreins
Da Deutz im 19. Jahrhundert als Industrie- und Militärstandort stark anwuchs, wurde der Bau einer großen Pfarrkirche beschlossen. In ihrer heutigen Form ist die Kirche St. Heribert ein Zeugnis zweier stilistisch verschiedener Epochen: Erbaut wurde sie von 1891 bis 1896 nach Plänen des Düsseldorfer Architekten Caspar C. Pickel im neuromanischen Stil. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg übernahm es der Architekt Rudolf Schwarz, die verbliebenen Trümmer zu einem modernen Ansprüchen genügenden Kirchenraum zu formen – der Wiederaufbau hatte eine ganz neue Raumkonzeption zur Grundlage.
In der Vierung wurde die heutige Altarinsel mit dem dahinter stehenden Podest für den Heribertschrein angelegt – der Altar sollte aus dem hohen Chor näher an die Gemeinde heranrücken. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte dazu aufgerufen, die Distanz zwischen Priester und Gläubigen in der Liturgie zu verringern. Der Priester sollte vor allem den Gottesdienstfeiernden zugewandt sein. In Verbindung mit dem Querschiff entstand so etwas wie ein „Zentralbau“, in dem sich die Gemeinde um den Altar herum versammelt. Der früher mehrere Stufen hohe Chorraum wurde auf das Niveau der Kirche abgesenkt. Hier wurde, in einer Achse mit dem Altar, die Taufkapelle eingerichtet – Taufe und Altarsakrament sind aufeinander bezogen.
Reizvolle Blickachsen
Bei der letzten grundlegenden Renovierung (1986-1989) wurde diese moderne Konzeption im Wesentlichen beibehalten. Von dem neuromanischen Bau, der seiner Größe wegen schon bald nach seiner Fertigstellung „Düxer (Deutzer) Dom“ genannt wurde, ist bis heute der kreuzförmige, sehr ebenmäßig angelegte Grundriss erhalten: Er baut auf einem Quadrat auf, das sich am deutlichsten in den Feldern der Seitenschiffe abzeichnet. Das Mittelschiff ist doppelt so breit wie die Seitenschiffe, das Querschiff ergibt sich durch Verbreiterung auf jeder Seite um ein Quadrat. Dadurch, dass auch das Querschiff eigene Seitenschiffe besitzt, ergibt sich im Vierungsbereich eine außergewöhnlich vielfältige und reizvolle Fülle von Räumen und Durchblicken.
Zu diesem Raumeindruck trägt auch der Wechsel von Pfeilern und kostbaren Granitsäulen mit kunstvollen Kapitellen bei. In der Chorrundung finden sich die letzten Zeugnisse der alten Gewölbe, die in der übrigen Kirche nach dem Krieg nicht wieder eingebaut worden sind. Durch den Wegfall der Gewölbe hat sich der Gesamteindruck des Raumes gegenüber dem ursprünglichen Bau sehr verändert: Große Teile der freien Wandflächen zwischen den Obergadenfenstern waren früher durch die Gewölbeansätze verdeckt und die heutige Deckenkonstruktion aus Holz lässt den Raum insgesamt höher wirken als früher.
Die farbige Fassung des Innenraums, 1986/1987 nach dem Vorbild der fünfziger Jahre erneuert, ist wesentlich heller und wirkt freundlicher als die Ausmalung vom Ende des 19. Jahrhunderts, von der aber an einem der Pfeiler des östlichen Seitenschiffs bei der letzten Renovierung ein kleiner Rest freigelegt wurde und Zeugnis über die Vergangenheit gibt.
Erbe zweier Kirchen
Der gesamte Innenraum erfuhr beim Wiederaufbau eine tiefgreifende Änderung entsprechend den gewandelten liturgischen Ansprüchen und Vorstellungen. Im früheren Hochchor blieb Platz für eine kleine Werktagskirche. Die Seitenkapellen (Nebenaltäre) der alten Kirche waren durch – auch heute noch vorhandene – Apsiden hervorgehoben. In der westlichen Apsis (neben der Sakristeitür) steht heute die Kevelaer-Madonna, in der östlichen der Sebastianusaltar. Neue Seitenaltäre mit alten Altarplatten (Mensen) stehen an den Frontwänden der Querschiffe.
St. Heribert bewahrt das Erbe von zwei weiteren Deutzer Kirchen; Die alte Pfarrkirche St. Urban stand früher unten am Rhein, etwa dort, wo heute ein Kürassierdenkmal steht. Aus dieser Kirche, die schon seit 1784 nicht mehr als Pfarrkirche genutzt werden konnte, ist der gotische Taufstein erhalten geblieben, der mit einem modernen Deckel heute vorne in der Taufkapelle steht.
Aus der Kloster- und späteren Pfarrkirche Alt-St. Heribert, direkt am Rheinufer gelegen, stammen außer dem Schrein noch die Figuren der Kirchenväter im Chor des Gotteshauses, die Marienfigur in der Marienkapelle und die Figur des heiligen Judas Thaddäus im östlichen Seitenschiff.
Heribertschrein und Kulturschatz
Aus dem ehemaligen Klosterbesitz sind außer dem Heribertschrein noch weitere Kostbarkeiten heute im Besitz der Pfarre St. Heribert, so ein Kelch mit eingearbeiteten Resten eines Trinkgefäßes aus Kokosschale, ein Messgewand und liturgische Geräte, die der Überlieferung nach aus dem Besitz des heiligen Heribert stammen. Diese Reliquien werden in einem Sacrarium aufbewahrt, einer Schatzkammer für das kulturelle Erbe des schon früh als heilig verehrten Bischofs.
1147 wurden „seine Gebeine erhoben“, wie man die feierliche Exhumierung und Beisetzung in einem kostbaren Schrein nennt. Der Heribertschrein steht heute hinter dem Hochaltar. Er gehört zu den bedeutendsten Kunstwerken, die aus spätromanischer Zeit erhalten sind. Er entstand in den drei Jahrzehnten nach der Erhebung der Gebeine als ein Hauptwerk der Goldschmiedekunst an Rhein und Maas. Vor allem die zahlreichen Emailleplatten sind von außergewöhnlicher Schönheit und Qualität und gehören alle zum ursprünglichen Bestand des 12. Jahrhunderts, während die Goldschmiedearbeiten zum Teil im 19. Jahrhundert erneuert worden sind. 1986 bis 1993 wurde der Schrein gereinigt und konservatorisch gesichert.
Der Schrein ist wie ein Haus, eine Kirche, geformt und zeigt an der Stirnseite die Madonna, flankiert von zwei Engeln. An der Rückseite ist der heilige Heribert auf seinem Bischofsthron zu sehen, dem Personifikationen der Nächstenliebe und der Demut zur Seite stehen – Tugenden, die die Menschen mit Heribert verbinden.
An den Längsseiten des Schreines, zwischen den plastisch getriebenen Sitzfiguren der Apostel sind je sieben in Gruben-Emaille gearbeitete Propheten und Könige. Sie bilden sozusagen die Pfeiler, die das Dach des Hauses tragen. Auf den Dachschrägen werden in je sechs großen Emaille-Medaillons Szenen aus dem Leben des heiligen Heribert erzählt. Der Schrein stellt den Menschen das Heil vor Augen, das uns in Christus und in der Kirche zuteil geworden ist und das sich auch im Leben des heiligen Heribert zeigt.
Dies und die weitere Ausstattung lassen sich gut bei einem Rundgang entdecken. St. Heribert liegt an der Tempelstraße 2 in 50679 Köln. Über die Besichtigungsmöglichkeit der Schatzkammer und vieles mehr informiert die Gemeinde unter www.pfarrgemeinde-deutz.de
Quelle: Kirchenführer von St. Heribert